Ein breitgefächertes Bündnis aus unserem Sozialforum, Grünen, Linken, Bündnis gegen Rechts, ALF und FEI hatte zu dem gut besuchten Vortrag von Professor Gerlach eingeladen. Gerlach referierte über die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten zum Wirken Ludwig Erhards in der NS-Zeit und bezog sich vor allem auf Erhards Studien im Auftrage der „Haupttreuhandstelle Ost“.
Speziell bezog sich Gerlach auf Erhards Studie von 1940 über die wirtschaftlichen Möglichkeiten der eroberten Ostgebiete für die Kriegsproduktion und seinen Bericht von 1941 zur Wirtschaft des neuen deutschen Ostraums. Gerlach berichtete, dass die Originale des noch von Erhard verfassten Vorberichts in der Regierungszeit Erhards unter ungeklärten Umständen aus dem Bundesarchiv verschwunden seien bzw. nicht mehr auffindbar waren, dass der Inhalt jedoch mit Unterstützung verschiedener staatlicher Stellen rekonstruiert werden konnte.
Gerlach verwies unter anderem auf Formulierungen in Erhards Analyse wie »rassisch bedingte Eigenschaften der polnischen Bevölkerung« oder »Nicht wachsender Wohlstand, sondern die innere Ungestörtheit des einzelnen Menschen wie des ganzen Volkes scheinen den östlichen Völkern erstrebenswert«. Gerlach erwähnte auch, dass Erhard Änderungen seines Arbeitsvertrages in Form einer einjährigen Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle forderte, denn er müsse für die Arbeit am Gutachten »in polnischen Quartieren schlafen oder in Wartesälen zwischen der polnischen Zivilbevölkerung übernachten«, wodurch ein »Schutz vor Infektionskrankheiten nicht gewährleistet« sei. Die NS-Verwaltung gab diesem Antrag allerdings nicht statt.
Insgesamt machte Gerlachs Vortrag deutlich, dass Ludwig Erhard dem rassistischen Gedankengut der Nazi-Zeit verbunden war und die Kriegswirtschaft der NS-Diktatur rückhaltlos bejahte. Er war kein Mitglied der NSDAP, aber er war ein Opportunist und hatte keine Skrupel, für die Nazis zu arbeiten. Dennoch gab es eine Zuhörerin, die erleichtert war, im Vortrag „nichts Schlimmes“ über Erhard vernommen zu haben. Hatte er doch die polnischen Arbeiter nicht eliminieren sondern anständig behandeln wollen. Selbst wenn er das nur wollte, weil sie bei besserer Behandlung mehr Leistung erbringen würden.
Die anschließende Diskussion wurde kontrovers geführt. Professor Gerlach beantwortete die vielen Fragen mit beeindruckendem Fachwissen, differenziert und sachlich, bei Provokationen mit feinem Sarkasmus.
Stephan Stadlbauer brachte es am Schluss auf den Punkt:
Unabhängig davon, ob man Erhard jetzt für mehr oder weniger gut hält – der Erhard-Bunker am Rathaus ist ein Zentrum des Neoliberalismus und gibt all denen eine Bühne, die massivsten Sozialabbau betreiben und für Armut und Elend auf der Welt verantwortlich sind.
Bilder © Kamran Salimi