Lesen darf nichts kosten
Unter diesem Motto haben wir am Freitag vor der Stadtbibliothek demonstriert. Wir fordern von der Stadt eine Abschaffung der Bibliotheksgebühren, so schnell wie möglich für alle, sofort für die Ärmeren. Dazu sprachen Marion Denk von der Fürther Erwerbsloseninitiative FEI, Andre Hermany von der katholischen Kirche und Titus Schüller von der Linken aus Nürnberg.
„Gott will keine dummen Schafe“ stand auf dem Transparent, das Andre Hermany mitbrachte und er forderte „Lesen frei für alle!“
Damit der Bücherei nicht das Geld fehlt, soll die Stadt die Beiträge übernehmen – so können dann neue Bücher gekauft werden, damit die Regale in der Neuen Mitte ein bißchen besser bestückt sind, und vielleicht langt es dann sogar noch für einen automatischen Türöffner, denn wer nicht ganz so fit ist oder gar im Rollstuhl sitzt, dessen Bibliotheksbesuch scheitert schon daran, dass er die schwere Eingangstür nicht aufkriegt.
Titus Schüller von der Linken brachte Erfahrungen aus Nürnberg mit. Dort war die Bibliothek ja lange kostenpflichtig, mit dem Neubau wurde dann beschlossen, dass die Ausleihe nichts mehr kosten soll. Die Benutzerzahlen schnellten nach oben: Von vorher 50 000 auf stolze 70 000 Personen. Trotzdem will Nürnberg jetzt wieder Gebühren einführen. Dass das Menschen vom Bibliotheksbesuch abhalten wird, nimmt die Stadt in Kauf, man rechnet jetzt schon damit, dass die Benutzerzahlen wieder nach unten gehen. Hier kann es Fürth besser als Nürnberg machen.
Marion Denk von der FEI wies auf die Situation der Armen hin, für die selbst so geringe Summen wie 9 € im Jahr zu viel sein können. Hier die Rede der FEI zum Nachlesen:
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Bücher verlieren immer mehr an Bedeutung. Das hat die Stadt Fürth sehr gut erkannt und veranstaltet, um dieser negativen Entwicklung entgegen zu treten, öffentliche Leseaktionen wie das LESEN! – Literaturfestival. Um so unverständlicher ist es, dass die öffentliche Bibliothek der Stadt nicht alles tut, um zum Lesen zu motivieren. Die Nutzergebühr z.B. hält manche Leute vom Bibliotheksbesuch ab. 18 Euro jährlich kostet die Bibliotheksnutzung, für Ärmere gibt es den Bibliotheksausweis ermäßigt für 9 Euro. Was sind schon 9 Euro im Jahr, wird der ein oder andere jetzt sicher denken. Aber wer sich fürs Essen an der Tafel anstellen muss, für den sind 9 Euro ganz schön viel. Mit 409 Euro Arbeitslosengeld 2 oder einer Rente auf Grundsicherungsniveau kann sogar auf dem Sofa sitzen und Lesen zu einem zu teuren Vergnügen werden. 409 € plus Miete, das hört sich doch nach sehr viel Geld an, oder? Das wäre es auch, wenn man es tatsächlich, wie oft behauptet wird, zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs zur Verfügung hätte. Tatsache ist jedoch, dass davon zunächst einmal die Fixkosten wie Strom, Telefon, ÖPNV, Haftpflichtversicherung, etc. bezahlt werden müssen. Des Weiteren müssen davon Kleidung und Schuhe bestritten werden. Putz- und Waschmittel für Wohnungs- und Körperhygiene gibt es auch nicht umsonst, und mit viel Glück und äußerster Sparsamkeit bleiben somit noch monatlich 120,- bis 140,- Euro für Nahrungsmittel, Getränke und „Freizeit“ übrig. Logischerweise bleibt dabei die Freizeit auf der Strecke, reicht doch das verbliebene Geld noch nicht mal für eine ausgewogene Ernährung. Allein das Abonnement einer Tageszeitung ist nicht möglich, wie also sollten z.B. ein Theaterbesuch, ein Latte Macchiato in einem gemütlichen Cafe und eben auch der Ausleihbeitrag der Bücherei „gestemmt“ werden???
Das wird nicht besser mit der Zeit, ganz im Gegenteil: Alg2 und Grundsicherung werden zwar jedes Jahr um fünf Euro monatlich erhöht, dies stellt aber in Wahrheit eine reale Leistungskürzung dar, denn die fünf Euro Erhöhung, die es gibt, werden von einer zweiprozentigen Inflation plus der allgemeinen Teuerungsrate mehr als doppelt aufgefressen.
Wäre die Bücherei gratis, könnte sie von viel mehr Menschen genutzt werden. Es scheint bei der Fürther SPD in Vergessenheit geraten zu sein, dass die Buchausleihe früher für alle Menschen in Fürth kostenlos war. Als die Bücherei 1998 aus dem Berolzheimerianum ausziehen musste, weil man die damit verbundene „Stiftung für alle“ lieber für eine Komödie für zahlendes Publikum zweckentfremden wollte, gab es gleich die Nutzergebühren als Dreingabe obendrauf. Das war übrigens damals eine „Heldentat“ der Spd…
In unserer Nachbarstadt Nürnberg ist die Bibliotheksnutzung heute noch kostenlos, trotz besserer Ausstattung und der größten Musikbibliothek Nordbayerns. Gratis für alle, auch für die Reichen. Leider soll die kostenlose Ausleihe, die wir auch für Fürth haben wollen, in Nürnberg jetzt den Sparmassnahmen zum Opfer fallen. Schade, dass hier wieder einmal das Niveau nach unten reguliert wird.
Da sollte sich Fürth dann wenigstens klüger zeigen. Die Stadt hält sich ja bekanntlich für sozial. Deswegen macht sie auch seit inzwischen 17 Jahren beim Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“ mit. Sozial ist aber, wenn jeder Mensch unabhängig vom Einkommen an öffentlichen Bildungsangeboten teilhaben kann. Deshalb fordern wir, die Fürther Erwerbsloseninitiative, dass die Stadt die Beiträge für die Armen übernimmt.
Damit die Bücherei durch die ausbleibenden Beiträge keine Verluste erleiden muss, sollen sie aus der Stadtkasse bezahlt werden. Im Moment hat die Bücherei durch ermäßigte Beiträge jährliche Einnahmen von 4500 €. Das ist nicht besonders viel, wenn man allein an die Jahresmiete für die Bibliotheksräume in der Neuen Mitte denkt. Die Übernahme der Kosten für diese Beiträge wäre für die Stadt leicht zu tragen. Wenn die kostenlose Nutzung die Zahl derer vergrößert, die diese Leistung in Anspruch nehmen, ist das ein wichtiger Effekt hin zu mehr gesellschaftlicher Teilhabe und Bildungsgerechtigkeit. Es kostet die Stadt dann zwar ein bisschen mehr, gleichzeitig bekommt die Bibliothek aber auch mehr Einnahmen und damit mehr Geld für neue Bücher, was am Ende allen zu Gute kommt. Langfristig fordern wir von der Stadt Fürth die kostenlose Nutzung für alle BürgerInnen, den Armen müssen die Gebühren aber sofort erlassen werden.